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Beitrag vom 20.06.2008
L-Mag Kampagne - Deutschland wird lesbisch
Silvy Pommerenke
Das deutschlandweit einzige lesbische Magazin hat sich zu seinem fünften Geburtstag keine leichte Aufgabe gestellt, denn unsere Republik soll endlich lesbisch werden. Was als Provokation klingt,...
...ist auch als solche gemeint, denn trotz des Will-Meckel-Medienrummels sind Lesben nach wie vor zu unsichtbar in der Gesellschaft.
Es geht bei der L-Mag-Kampagne vor allem um die Sichtbarmachung von homosexuellen Frauen, die etwa einem Anteil von fünf Prozent der Gesamtbevölkerung entsprechen, was in konkreten Zahlen über vier Millionen Lesben bedeutet. Manuela Kay, Chefredakteurin des lesbischen Magazins, äußerte auf der Pressekonferenz am 19. Juni 2008 ihren Unmut über die Tatsache, dass Lesben "immer noch unter dem öffentlichen Radar fliegen". Amüsante Vergleiche zog sie heran, um zu verdeutlichen wie gegensätzlich die Größe dieser Gruppierung und deren Außenwahrnehmung ist, denn immerhin entspricht die Größenordnung von fünf Prozent der WählerInnenschaft der FDP, oder aber den aktiven AnglerInnen in unserem Land. Von der FDP liest man täglich etwas in der Presse, die AnglerInnen hingegen haben nicht nur ein einziges Magazin, sondern gleich mehrere, die diese "Randgruppe" mit Informationen beliefert.
Es ist das ewige Stigma der Lesben. Im Gegensatz zu den Schwulen werden sie immer noch in die Schublade "kurzhaarig, bulldoggig, männerfeindlich" gesteckt. Unsere schwulen Jungs hingegen sind die Trendsetter von morgen, leben in Luxus-Appartements, haben ein Jahreseinkommen von mehreren zehntausend Euro und sind gerngesehene Gesellschaft, weil sie immer geschmackvoll gekleidet sind, die gängigen Umgangsformen beherrschen und einfach stylisch sind ... Was der Öffentlichkeit bei diesem eingeschränkten Blickwinkel nach wie vor fehlt ist, dass es sowohl in der L- als auch in der S-Gruppe eine sehr differenzierte Lebenswelt gibt, die eben nicht nach Schema F zu beurteilen ist, denn es gibt durchaus den unstylischen Schwulen, sowie die feminine hübsche Lesbe.
Aber lamentieren bringt nichts, sondern tatkräftige Aktionen sollen Lesben nun stärker in die Öffentlichkeit transportieren. Der provokante Kampagnentitel findet sich auf den dafür speziell gedruckten Aufklebern, und das L-Zeichen, das starke Ähnlichkeit mit dem Victory-Zeichen hat, soll für die Sichtbarkeit von Lesben führen, und andere dazu animieren, sich ebenfalls gegen die Vorurteile zu stellen – ob nun Homo oder Hetero. Neben Manuela Kay waren auf der Pressekonferenz in Schöneberg noch Dr. Carolin Miltenburger und Tanja Walther anwesend. Miltenburger, ehemalige Hauptabteilungsleiterin in einem Berliner Pharmaunternehmen, jetzt bei einer globale Unternehmensberatung und im Netzwerk Wirtschaftsweiber e.V. aktiv, dem einzigen bundesweiten und branchenübergreifenden Netzwerk in Deutschland für Lesben in Fach- und Führungspositionen. Befragt, warum es so wenig lesbische Führungskräfte in Deutschland gäbe, hatte sie schnell eine Antwort parat, denn hierzulande gibt es nicht nur wenige lesbische Führungskräfte, sondern insgesamt wenig Frauen in den Spitzenpositionen. Auch sieht Miltenburger das negative Image von Lesben für die marginale Zahl verantwortlich und fehlende Role-Models würden ihrerseits dazu führen, dass Lesben nur selten in diesen Positionen zu finden sind.
Tanja Walther, ehemalige Fußball-Bundesliga-Spielerin und Mitakteurin bei der European Gay & Lesbian Sport Federation (EGLSF), die sich für die Belange von Lesben und Schwulen im Sport einsetzt, wartet mit ähnlichen Erfahrungen auf. Ihre präferierte und männlich dominierte Sportart öffnet sich nur langsam für Frauen, und auch hier ist das Interesse insgesamt weitaus geringer als das für Männerfußball. Man braucht sich nur die aktuelle EM ansehen, den Medienrummel darum und die Hysterie auf den Straßen. Kein Vergleich zu der Frauen-EM vom letzten Jahr in China. Erstaunlich ist allerdings, dass vielen Fußballerinnen unterstellt wird, sie seien lesbisch. Bei einigen mag das zutreffen, bei anderen wiederum nicht, aber kaum eine würde sich öffentlich outen, denn das runde Leder und Homosexualität passen scheinbar nicht zueinander und könnte zu einem schmerzlichen Karriereknick führen. Aber das genau interessiert die Presse wahnsinnig. Walther wurde häufig in Interviews nicht etwa nach Spielleistung, Teamaufstellung oder Wettkampfvorbereitung gefragt, sondern sensationslüstern wurde da nachgehakt, welche Spielerin wohl lesbisch, welcher Spieler schwul sei, und was man denn nach dem Spiel so alles in den Duschräumen machen würde. Selbstredend hat sie darauf nicht geantwortet, denn es sollte doch der Sport im Vordergrund stehen, und wenn die SpielerInnen sich selbst nicht outen, werden sie auch nicht fremdgeoutet.
Dieses Schranklesbendasein ist eine Tatsache, die wiederum Manuela Kay in Frage stellt. Natürlich ist es jeder selbst überlassen, wie, wann und ob sie sich outet. Aber, und das kam auch bei der Pressekonferenz heraus, das was in unserem Land fehlt, sind eindeutig (lesbische) Role-Models. Je mehr an die Öffentlichkeit gehen, je häufiger das L-Wort genannt wird, umso leichter fällt es dem Nachwuchs, sich gegen die gängigen Gesellschaftsmuster zu stellen und selbstbewusst ein Coming-out zu haben. Immerhin, und das lässt hoffen, hat die queere Community einen Unterstützer in Theo Zwanziger gefunden, dem Präsidenten des Deutschen Fußballbundes.
Weitere Informationen zur Kampagne bei
www.l-mag.de